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Mittwoch, 16. Mai 2007

Schöner Wohnen II

Der Keller ist ok. Manchmal muffelt es ungelüftet, aber Alles in Allem ist er relativ freundlich und sauber. Keine Spinnen, auf die man aus Versehen drückt, will man das Licht anschalten und keine klebrigen Weben, in denen man sich verfängt, wenn man durch eine Tür läuft. Mehr verlange ich nicht von einem Keller. Er bildet das Fundament für ein nettes, kleines Stadthaus, viergeschossig, Baujahr 1912, ein Erker. Die Wohnungen haben alle um die 65 m2, zwei Zimmer, Küche, geräumiger Flur, großes Bad mit Tageslicht, Klo extra. Für mich gibt es im ersten Stock sogar eine schöne Terrasse mit Blick auf die Gärten des Wohnblocks.

Im Erdgeschoss wohnt Maja. Sie ist Mitte 20 und hat einen Sohn, Alexander, 4. Vater nicht da. Alexander hat keine Vorderzähne mehr. Die sind alle, bis auf ein paar bräunliche Stummel, den Kariesbakterien zum Opfer gefallen. Seit Alexander im Kindergarten ist, seit einem Jahr also, fängt er langsam das Sprechen an. Das heißt, gesprochen hat er schon vorher, nur konnte man ihn nicht verstehen. Zumindest habe ich nie mehr als "nein" (NEI), "ja" (HAA), "Limo" (LIMO) ausmachen können. Alexander ist mitnichten geistig zurück, er ist nur sozial verwahrlost. Selten verlässt er mit seiner Mutter das Haus. Selbst im Sommer darf Alex nur für kurze Zeit in den Garten, danach wird er gesäubert. Den ganzen Tag läuft bei Maja der Fernseher. Alex sitzt mehr oder weniger unbeteiligt davor, kriegt alles mit, spielt so vor sich hin. Seine Bewegungen sind unkoordiniert, grob. Wenn er meinem Sohn in das Gesicht fasst, muss er aufpassen, dass ihm von Alex kein Auge ausgestochen wird, so aus Versehen. Zweimal bin ich Nachts runter, weil Alexander hysterisch weinte. Das erste Mal dachte ich, sie hätte ihn alleine gelassen. Hatte sie aber nicht. War nur eine Erziehungsmaßnahme gegen den nicht schlafen Wollenden. Das zweite Mal hatte ich mitgekriegt, dass sie ihn, zur Strafe wohl, in das Zimmer gesperrt hatte. Die verzweifelten Schreie des sich immer wieder gegen die Tür werfenden Jungen konnte ich nicht ertragen. Ich bin runter und habe zur ihr gesagt, dass sie das bleiben lassen soll, egal, was er angestellt haben mag, so ginge das nicht. Im Wohnzimmer auf der Couchgarnitur die Schwester von Maja, die mich stupide anglotzte. Dann trat ein Mann in Majas Leben. Ein Jüngling eher, mit Basecap und weiter Hose. Plötzlich wohnte er da. Im Treppenhaus mischte sich der Zigarettenrauch mit Cannabisduft, schon am Vormittag. Die Tür zum Keller war plötzlich zugesperrt, der Typ häufig im Keller. Komische Gestalten gingen aus und ein, oft gab es Scherereien, Polizeiwagen vor der Tür. Irgendwann nur noch heftiger Streit zwischen Maja und dem Typen. Türenschlagen. Schreiereien. Türeneintreten. Plötzlich Ruhe. Der Typ war verschwunden, mit ihm der Cannabisduft. Ich ertappte mich beim Aufatmen. Das war vor ca. 6 Monaten. Letzthin sprach mich Maja auf der Treppe an, irgendwas Banales, da sah ich ihren Bauch. Sah, dass sie überhaupt zugenommen hatte. Typ weg (Knast), Bauch voll, ein weiteres, sinnlos gezeugtes Kind wird bald geboren werden und verwahrlosen.

Über mir zog vor einem Jahr eine Stefanie ein. Sie hat ein Mädchen, ca. 3 Jahre. Vater nicht da. Stefanie ist sehr jung, sehr dünn und ihr stark geschminktes Gesicht wird von einem blondiertem Mittelscheitelpagenkopf gedeckelt, die Haaransätze immer dunkel. Nie sehe ich ihre Augen ohne den fetten, schwarzen Kajalstrich drumrum. Wenn wir uns auf der Treppe begegnen, dann grüßt sie mich schnell, verhuscht. Mehr haben wir noch nicht geredet. Seit ca. 4 Monaten hat sie einen Kerl. Erst wurde ich nachts wach, weil über mir plötzlich Fickgeräusche waren, oft erst früh, zwischen 4 und 5 Uhr. Beim ersten Mal dachte ich "Beb ich, oder spüre ich schon?", denn die enormen Stöße versetzen den ein oder anderen Teil meiner Einrichtung in fein sirrende Schwingungen, erdbebengleich. Dazu Gejammer von der Geschminkten. Da ich früh aufstehen muss, griff ich zu meinen Ohrenstöpseln. Es dauerte nicht lange, da zog der Typ ein. Aus dem Kofferraum seines schwarzen BMW Kombi (Fickfolie, auf dem hinteren Seitenfenster die Domain www. mb-sicherheitsdienstleistung.de) förderte er Staubsauger und Stereoanlage hervor. Ein Hund wurde angeschafft, Rottweilerwelpe. Der Welpe litt arg, wenn er alleine gelassen wurde. Dann machte er sich Luft durch stundenlanges Geheule. Mitlerweile ist er älter und nimmt das Alleinesein klaglos hin. Nur wenn er - bei mancherlei hündischem Fehlverhalten ertappt - von seinem Herrn, wahrscheinlich mit Fußtritten, durch die Wohnung gejagt wird, winselt er noch. Die Wutanfälle des bis unter den rasierten Scheitel mit Testosteron angefüllten Fleischberges häufen sich in letzter Zeit. Richteten sich seine Attacken bisher nur gegen den Hund, sind nun immer öfter die Freundin und ihr Kind Zielscheibe seiner Angriffe. So ein kleines Kind kann viel falsch machen. Sein größter Fehler aber ist, dass sich in ihm die Gene eines anderen Mannes, eines früheren Konkurrenten, manifestieren. Das bekommt es reichlich zu spüren. Aus dem Nichts fängt dieser Typ dann an wie wahnsinnig zu brüllen und Gegenstände durch das Zimmer zu schmeißen. Gestern kulminierte das Ganze und wollte kein Ende nehmen. Satzfetzen wie "...jeden Cent, den ICH verdiene..." und "...alles macht IHR kaputt...", drangen durch die Wände. Jede Menge Möbel polterten, am Schluss der Typ, der mit seinem Hund aus dem Haus trampelte, während sie sich ihm noch in den Weg zu stellen versuchte. Nach einer kurzen Zeit der Ruhe kam er wieder. Ein paar Minuten später stereotypes Gejammer, man besiegelte den Streit wohl mit einem zünftigen Fick. Das Kind lief dazwischen umher.

Unter dem Dach wohnt Jutta mit ihrem 2-jährigen Sohn Jan-Phillip. Vater nicht da. Jutta ist eine Zwergin, ich schätze sie auf 1,45 Meter. Nie habe ich einen Menschen getroffen, der derart viel Müll produziert wie sie. Es ist als wolle sie sagen: "Seht her, ich bin zwar eine Zwergin, aber ich mache Müll für drei!" Jeden zweiten Tag geht sie Einkaufen und kehrt mit etlichen prall gefüllten Plastiktüten am Kinderwagen wieder zurück. Kind und Einkäufe werden dann unter lautem Stöhnen in den dritten Stock befördert. Ich habe es schon lange aufgegeben, ihr dabei zu helfen, wenn sie an meiner Tür vorbeikeucht. Ich schaffe es einfach nicht mehr, psychisch, meine ich jetzt. In ihrer Wohnung und davor türmen sich die mit Müll gefüllten Plastiktüten. Jutta ist der einzige mir bekannte Mensch, der von Mülltrennung noch nie etwas gehört zu haben scheint. Glas, Konserven, Umverpackungen, Essensreste, ALLES landet in den Restmülltonnen. Die sind dadurch natürlich ständig randvoll und können selbst von Jutta nicht mehr verstopft werden. So füllt sich das Zwischenlager vor ihrer Haustür und durch das Treppenhaus wabert mittlerer Verwesungsgestank aus Windelsäcken und Tüten. Unlängst sprach ich sie auf ihr privates Müllproblem an. Pries den Vorteil von Mehrweg und Recycling. Flehte und drängte im Interesse Aller auf Inanspruchnahme des Gelben Sacks, dessen Konzept ich zwar selbst als nicht sehr sinnvoll erachte, der aber zumindest hilft, die Mülltonnen zu entlasten. Sie versprach Besserung. Bei der letzten Abfuhr blieben dann aber zwei Säcke liegen. Sie waren von kundiger Hand aufgerissen und gaben so den Blick auf das Innere frei. Essensreste, Hipp-Gläschen, alte Windeln. Alles. Restmüllentsorgung via Gelben Sack. "So ja nicht!", wird sich der Sackmensch bei der Abfuhr gedacht haben, und so blieben sie noch drei volle Tage anklagend vor der Tür liegen, bis Jutta resignierte und sie endlich wieder nach oben holte.

Eigentlich wohne ich gerne hier in diesem umsichtig renovierten Altbau. Es ist zentral, kostet wenig, die Wohnung ist freundlich. Trotzdem ist es allerhöchste Zeit, dass ich mich nach etwas Anderem umsehe. Gerade ist der Typ über mir aufgestanden und drangsaliert das weinende Kind. Immer wieder äfft er sein Heulen nach. Die Mutter schweigt dazu.

...

Gehört zu den Dingen, die sich bei mir schon verselbständigt haben: Abwaschen, kochen => Küchenradio an. DeutschlandRadioBerlin ist gottlob auch hier zu empfangen, gerne nehm ich auch Bayern2, das geht manchmal ganz gut, vor allem bei Zündfunk.

Das Crossover-Rumgestochere bei DRB in allem was sich nach Musik anhört, hm... kann man machen, aber muss man auch? Von je her eher Purist, bin ich oft brüskiert von den schroffen Wechseln und wundere mich über Musikredakteure, die scheinbar völlig merkbefreit und bar jeglichen Stilgefühls im Musikschatzkästlein wühlen und sich sagen: "Oho! Camille Saint-Saëns, eine Neuinterpretation mit Klarinette und Klavier, ja, das fetzt! Das passt ja herrlich zu einem Livesong von Rod Stewart!" "PASST ES NICHT!" möchte ich rufen, zumal das lustige Getute von Saint-Saëns noch nichtmal ausgeblendet, sondern mittendrin einfach abgewürgt wird!

Im Hintergrund des Liveliedleins übrigens teenieeskes Gekreische. Wie jetzt!? Kreischen da ehrwürdige Damen um die 50? Oder begeistert der Sänger mit der betonierten Perückentaubenfrisur und der Stimme, die mich permanent Fremdräuspern lässt, etwa noch immer die jungen Dinger? Dann wurde noch unverschämt behauptet, dass Rod Stewart früher, bevor er nach Amerika ausbürgerte und seine Songs somit verseichteten, ja viieel besser gewesen sei. Gleich wurde ein Beweissong hinterher geschoben. "NEIN!" wollte ich rufen "NICHT VIIEEL BESSER, SONDERN NUR ANDERS!", denn was ich da zu hören bekam war Rhythm&Blues und ich HASSE Rhythm&Blues, weil ich die ewiggleichen Harmonien des Bluesschemas mit den in ewiggleichen Posen, Klamotten, Meinungen und Musikgeschmäckern verharrenden Alt68ern assoziiere, die sich nie das fitzelige Resthaar rasieren und bröselige Zigaretten aus DRUM-Tabak drehen, mit dem ewig beturnschuhten Fuß dabei den Rhythm zum Blues andeutend.

Blues.Schmues. Fiel mir, während ich also kopfschüttelnd und quengelnd den Topf mit einem Brazzoschwamm bearbeitete, leider siedendheiß ein, dass ich in meiner Jugend zu "Sailing" einen Stehblues tanzen musste, mit einem Jüngling, der aus dem Mund nach Kuhmilch roch! Fiel mir weiter das ganze unbeholfene Geknutsche ein, mit ebendiesem. Herrje, da musste ich laut "LaLaLa" singen, schnell ausschalten und die Tür zum Wohnzimmer aufmachen, wo der Sohn zu White Stripes rockte und mich von der Erinnerungspein erlöste.

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