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Montag, 11. Juni 2007

Nachtrag

Lange schon, bevor meine Oma gesundheitlich immer mehr abbaute und nicht mehr die Wohnung verlassen konnte, redeten wir ihr immer wieder zu, sich doch eine neue, ebenerdige Wohnung zu nehmen. "Achgottnee, bloß net, einen alten Baum verpflanzt man nicht", so lauteten dann ihre Ansagen. Zwecklos sie weiter zu bedrängen, da blieb sie hart.

Dann aber wurde ihr Zustand immer bedenklicher, zum Schluss bekam sie kaum noch Luft und es ging ihr so schlecht, dass sie sich freiwillig in die Obhut eines Arztes begab. Der überwies sie sofort in das Krankenhaus, wo auch gleich Krebs diagnostiziert wurde, Bronchien, Lunge, bereits metastierend. Deshalb die Kurzatmigkeit.

Dass meine Oma den Krankenhausaufenthalt überlebte, scheint mir heute wie ein kleines Wunder. Teils aus Scham, aber auch aus Unwissenheit wurde verschwiegen, dass sie schwer alkoholabhängig war und am Tag (wie sich bald herausstellte) beinahe eine Flasche Cognac brauchte, um einigermaßen zu funktionieren. Weder mein Onkel noch meine Tante hatten den Mut, das dem Oberarzt mitzuzeilen.
So wurde meine Oma geradewegs in einen kalten Entzug geschickt. Schwer delirierend lag sie im Bett und die Ärzte konnten sich überhaupt nicht erklären, was mit dieser Frau los war. Ich habe meine Tante am Telefon bekniet, dass sie den Arzt über das Alkoholproblem meiner Oma aufklären soll, damit man ihr mit Beruhigungsmitteln die Entzugserscheinungen lindern würde. Schließlich hat sie sich bereit erklärt und wurde für ihr Schweigen promt gerügt. Der kalte Entzug hätte meiner Oma erspart bleiben können, wenn man es nur gewusst hätte, das Leben hätte er ihr obendrein noch kosten können, so die Ärzte. Aber ich kann meiner Tante das nicht zum Vorwurf machen, denn in dieser Familie wurden immer alle Probleme unter den Teppich gekehrt. Das Thema Sucht war sowieso ein heikles, nachdem mein einer Onkel Anfang der 80er auf einer Toilette den klassischen Fixertod starb. Nach außen alles paletti, innen porös.

Wie clever meine Oma ihr Suchtproblem über Jahre verheimlicht hat, stellte sich beim Ausräumen der Wohnung dar, nachdem sie zwangsweise ausziehen musste. Im kompletten Obergeschoss des Hauses ungezählte Verstecke, in denen sie die leeren Flaschen lagerte, die ihr nicht von meiner Tante gekauft wurden. Die hatte nämlich den Auftrag, einmal in der Woche für sie einzukaufen und ihr dabei eine Flasche Cognac mitzubringen. Das Leergut hat meine Tante immer entsorgt. Woher stammten also die Unmengen von anderen, leeren Flaschen? Wie es sich herausstellte, bestellte meine Oma sich zusätzlich zu der "offiziellen" Wochenration noch weitere Flaschen, alles bei mindestens drei verschiedenen Lieferanten, damit der erhöhte Konsum niemandem auffallen würde. Jetzt wussten wir auch, warum meine Oma sich immer so vehement gegen einen Umzug gewehrt hatte: das Leergut war wohl die Ursache.

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