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Im Spaßlabyrinth

Jeder kennt sie, hat sie schon mal gesehen: die bunten Röhrenlabyrinthe, wie sie häufig vor amerikanischen Imbißketten zu finden sind, in deren Gänge sich Kinder nach erfolgtem Genuss ballaststoffarmer und kohlehydratreicher Kost noch ein wenig Bewegung verschaffen können, bevor sie wieder vor die Fernsehgeräte müssen.

Einmal war ich mit einem Freund noch nachts mit dem Auto unterwegs. Wir kamen von einem Konzert aus einer größeren Stadt, bei dem unter anderem eine Band spielte, die einen Song mit dem Titel 'Genforscher' spielte ("Wir sind Geeeenforscher, wir haben keine Freundin"). Meinem Mitreisenden knurrte ab Kilometer 20 der Magen und das große gelbe 'M', was neben der Autobahn weithin durch die Nacht strahlte, versprach Linderung.

Ich hatte wohl schon ein paar Bier getrunken, jedenfalls hatte ich keinen Hunger, ging nur auf's Klo, während sich mein Freund in die lange Schlange vor dem Tresen reihte. Nachher ging ich nach draußen, weil der Frittengeruch empfindlich auf meiner Seele lastete. In Wirklichkeit ist es auch nicht so sehr der Geschmack dieser Speisen, der mich abstößt, sondern der fettwolkige Olfaktor, der diese Restaurants stets und immer umwabert.

Unschlüssig stand ich dann herum, sehr aufgekratzt und zu allerlei Schabernack bereit, wie das halt so ist, nach 2-6 Bier. Dann sah ich die Röhren. Jawohl, so würde ich mir, meiner Laune entsprechend, die Zeit vertreiben, bis mein Freund wieder zurückgekommen wäre. Ich weiß noch, dass ich "ich bin Geeenforscher, und keiner hat mich liehieb..." sang, als ich die Plastikstellage erklomm und das Röhrensystem enterte. Auf allen Vieren bewegte ich mich nun voran. Doch die Röhren schienen von innen plötzlich viel enger als vermutet, denn das Ganze ist ja eigentlich auch für Kinder gedacht und nicht für besoffene, euphorische Weiber. Munter dennoch kroch ich fürbass. Da - links ein Abzweig! Erstmal ignorieren und weiter. Ein Plexiglasfenster zu meiner Rechten, die Scheiben sind verkratzt und ich kann kaum sehen, was draußen so vor sich geht, schließlich ist es auch dunkel und die Parkplatzbeleuchtung erhellt das Innere des Labyrinths nur spärlich.

Nach einer Kurve noch ein Abzweig, es geht leicht nach oben. Wäre ich doch abgebogen, denn plötzlich endet die Röhre gleich einem Blinddarm. Ich muss zurück, denke ich, aber es ist unmöglich mich umzudrehen, ich bin schlicht zu fett. So krieche ich rückwärts und wenn ich ehrlich bin, ist alles auch gar nicht so lustig, wie ursprünglich gedacht. Das Genick schmerzt von der unnatürlichen Haltung und in der Röhre muffelt es unbestimmt nach Plastik und noch irgendwas. Um nicht den ganzen Weg rückwärts kriechen zu müssen, nehme ich den Abzweig nach oben. Dort angekommen sehe ich kaum noch durch die Dunkelheit, nur am anderen Ende schimmert gelbliches Laternenlicht.

Plötzlich weiß ich ganz genau, dass ich da nie wieder herauskommen werde. Ein zartes Panikpflänzchen keimt in meiner Brust und schickt in Windeseile seine Schlingen durch meine Adern. Raus, nur noch Raus, alles so eng hier! Dann schlage ich mir noch zu allem Überfluß den Kopf an, ich bin ein einziger Fluchtreflex und so verlassen von Allem wie lange nicht mehr. Bloß nicht rückwärts, voran, voran, treibt es mich. Komplett kopflos wie ich bin winde ich mich durch das Geflecht. Meine Orientierung ist schon lange flöten, die gute Laune auch. Ein Fenster links, durch das ich verschwommen den Eingang des Restaurants sehe, hilft mir auch nicht weiter. Dann wieder eine Abbiegemöglichkeit aus der mir kühlere Luft entgegen weht. Hier muss eine Verbindung zur Außenwelt herzustellen sein, nichts wie durch. Es stellt sich heraus, dass es sich um eine leicht gewundene Rutsche handelt, die nach unten führt. Bäuchlings schlittere ich runter, ein Plastikvorhang versperrt den Ausgang, den schubse ich beiseite, bevor ich im Sand lande.

Vertrauter Fettgeruch, nie schien er mir begehrenswerter. Ich stehe auf, ordne mit zitternden Händen meine Kleider, alles an mir vibriert. In dem Moment tritt mein Freund aus der Tür, mit einer Tüte und einem Becher kommt er auf mich zugelaufen und fragt mich, ob ich schon pinkeln gewesen sei. Als wir dann im Auto sitzen und ich ihm die Niederlage schildere, sieht er mich fassungslos an und meint, er hätte immer gedacht, dass ich unter Klaustrophobie leide, warum ich denn da rein sei. So genau konnte ich ihm die Frage leider auch nicht beantworten. "Wohl vom Wahnsinn umjubelt" meinte ich bloß.

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