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Die aktuellen Wetterverhältnisse haben den geplanten Osterausflug nach Tschechien vereitelt. Schon letzten Mittwoch zeichnete sich die Alternative am schneewolkenverhangenen Himmel ab, die Feiertage dafür zuhause mit extreme couching zu verbringen. Man stelle sich dazu bitte zwei zusammengefaltete erwachsene Menschen auf einer Fläche von 140 x 50 cm vor. So nämlich lauten die Maße der Sitzfläche meines Sofas. Dafür sind Staffel vier und fünf von "Six feet under" nun geschaut und der Abschied von Familie Fisher unter Tränen vollzogen. Zusätzlich zum Abschiedsschmerz gesellen sich beim Mann und mir nun reichliche und nachhaltige Verspannungen in der Rücken- und Nackenmuskulatur. Ein neues Sofa muss her, bald.

Ab und an waren wir auch mal vor der Tür - Kloß mit Soß essen und Karpfen blau (Karfreitag). Besonders schön hatten wir es am Ostermontag, denn da suchten wir gemeinsam mit einer Freundin eine Dorfgaststätte auf, in der vor unseren Augen eine Kommunion gefeiert wurde. Meistens findet so was ja in irgendwelchen Nebenzimmern unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Hier aber durften wir Augenzeugen sein, wie sich der ländliche Mittelstand im Sonntagsstaat ein Stelldichein bei Gänsebrust und Vanilleeis mit heißen Himbeeren gab. Die Kinder waren, wie bei solchen Gelegenheiten durchaus üblich und sinnvoll, komplett an einem Nebentisch versammelt. Hier wäre für sie nun ausreichend Gelegenheit zu Kommunikation und Schabernack gewesen, jedenfalls vor Erfindung des Gameboys und verschiedener anderer Taschencomputer. So aber konnten wir zehn Kinder im Alter von ca. 6 bis 14 sehen, die sich in individuellen virtuellen Welten auf Punktejagd befanden, jedes unter einer Glasglocke sitzend und sein eigenes Gerät bedienend. Man muss noch nicht einmal im Ansatz Anhänger der anthroposophischen Heilslehre sein, um die Stille, die von diesem Kindertisch ausging, als eine eher bedrückende zu empfinden. Egal, sagte ich mir, so ist es eben, gewöhn dich endlich mal dran, du sentimentale Heulsuse pseudoreflektierte Kulturpessimistin.

Am Erwachsenentisch optisch ähnliches Elend. Die Frauen trugen allesamt die gleiche Sorte perfekt gestylter Kurzhaarfrisur, die in "Maxi" oder "Für Sie" gerne mit "trendbewusst" oder "pfiffig" umschrieben wird, nur unterschiedlich gefärbt. Auch ein Teil der Männer hatte frische Strähnchen im geföhnten Oberkopf. Tante Marga dürfte die Tage zuvor alle Hände voll zu tun gehabt haben. Man kennt das ja: Tante Marga legt die Wasserwelle, Onkel Heinz die Fliesen. Mit den Frisuren alleine war es natürlich nicht getan, denn die Frauen trugen Dirndl, geschnürte Leiberl und Schürzn, die dazugehörigen Männer knielange, hellgraue Lederhosen mit Hirschhornknöpfen, Leinenhemden und Haferlschuhen. Dazu Schnauzbart und Ohrring links (links cool, rechts schwul!) sowie überambitioniert designte Brillen mit bunt gemusterten Bügeln. Da gab es also allerhand zu staunen für uns und das Essen schmeckte darüber hinaus noch sehr ordentlich, mehr kann man von einem Ostermontag wirklich nicht erwarten! Bei ihrer dritten Portion Wirsing angekommen fragte mich meine Freundin, wie man "diesen Stil", diese "spezielle Art sich zu kleiden und überhaupt!" wohl nennen könnte, wenn man das irgendwie müsste und stellte uns damit vor keine leichte Aufgabe. Diese volkstümliche Verballhornung der Tracht hat mich ja schon immer an den Rand der Verzweiflung gebracht und hier wurden wirklich alle Register gezogen, dazu noch diese Frisuren, ach herrlich, Kinder! Nach ein paar Tagen der stillen Einkehr nenne ich das jetzt einfach mal "Aufgepimpter Landhausstil", das trifft es schon recht genau, denke ich. Wer mag, kann ja noch ein "postmodern" einfügen.

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