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Im Supermarkt an der Kasse vor mir drei raue Burschen. Sie sehen osteuropäisch aus, von der Art sich zu kleiden angefangen über die breiten und flachen Hinterköpfe bis hin zu den Frisuren, die so recht keine sind. Zwei von ihnen tragen das eigentlich volle Haar auf gleichmäßige 6mm geschoren, der dritte, mit dem interessanten Gesicht, hat schulterlanges blondgestreiftes Haar, was ihm in fettigen Strähnen um den Kopf hängt. Kann auch sein, dass es einfach nur nass ist, denn draußen regnet es schon den ganzen Tag. Ein Blick auf die Hände der drei sagt mir, dass sie wohl hart arbeiten müssen, so schwielig und dunkel sind sie. Eine einfache Wäsche reicht da nicht. Solche Hände verlangen nach sandiger Paste und Terpentin. Im gleichen Moment stelle ich mir vor, wie sie sich wohl auf weicher Frauenhaut anfühlen mögen - wie Greifwerkzeuge, die ungelenk drängend mal hierhin und mal dorthin grabschen. Die Vorstellung ist wenig erfreulich, deshalb richte ich meinen Blick lieber auf die Ware, die vom Band in den Einkaufswagen wandert. Drei Fläschchen Spaßgetränk (Wodka mit Tropensaft gemischt - fürr Vitaminäh, värrschtehst!), drei 5er-Packungen Boonenkamp Magenbitter, ein Rotkohl, ein Pfund Mehl, Reis, Öl. In meinem Kopf versuche ich ein Rezept für diese Zutaten zu entwerfen, während einer der drei versucht, mit mir Blickkontakt aufzunehmen. Ein Kasseanstehflirt, flüchtig wie Benzindampf und überflüssig wie ein Kropf. Wie in einem Kaurismäkifilm sehe ich die drei abends in ihrem Wohncontainer sitzen, vor sich ein Kohlgericht, um sich Dämpfe aus Alkohol, Nikotin und scharfem Männerschweiß. Am Tag arbeiten sie hart für 4,50 Euren in der Stunde, in der Nacht kommt die Einsamkeit und das Heimweh, ganz für umsonst. Kein sehr angenehmes Leben, so oberflächlich betrachtet. Aber vielleicht ist ja auch alles ganz anders, denn was weiß ich schon vom Leben des Fremdarbeiters, alles nur Vermutungen, und die reichen nicht aus.
Frau Rossi - 27. Sep, 18:35