(22.09.2003)
Ich betrete das Wohnzimmer, die vertrauten Möbel sehen in der neuen Umgebung völlig anders, besser aus. Hinten in der Ecke das Pflegebett, das Kopfteil erhöht. Der Raum ist erfüllt vom blubbernden Geräusch des Sauerstoffzubereiters, fast klingt es nach Aquarium, nur lauter. An dem Sauerstoffgerät angeschlossen die Frau im Bett, unterhalb der Nase ein feiner Schlauch, der den reinen Sauerstoff in die Nasenlöcher strömen läßt. Das soll das Herz entlasten, sagt der Arzt. Ich setze mich seitlich auf das Bett, es ist viel Platz, unter der Decke zeichnet sich schemenhaft der ausgemergelte Körper ab. 30, 32 kg? Das Gesicht ist leicht zur Wand gedreht, die Züge wirken angestrengt, die Augen geschlossen. Die zwei tiefen Furchen über der Nasenwurzel deuten aber an, daß hier nicht geschlafen, sondern gerungen wird. Als ich ihre Hand greife, die knochige, schöne, mit den tipptopp gefeilten Nägeln, weiß ich endgültig Bescheid. Fieberheiß ist sie, wie bei meinem Vater, damals.
Nun begrüße ich sie. Ihr Unterkiefer bewegt sich leicht, die Furchen zwischen den Augenbrauen verflachen, die Lider flattern kurz. Sie hat mich erkannt, ganz sicher. Ich fange an zu erzählen, von der Einschulung meines Sohnes und wie schlecht er seither schläft, wie er weinte und doch stolz ist, endlich ein Schulkind sein zu dürfen. Irgendwann ist mein Monolog beendet, mir fällt nichts mehr ein was ich ihr noch erzählen könnte. Wofür interessiert sich eine Sterbende? Dann betrachte ich noch lange ihr Gesicht und streichle dabei die Hand, die mich bald 39 Jahre berührte.
Dann setzen wir uns an den Tisch, meine Tante und ich, auch Carmen, die aus Rumänien geholte Pflegekraft, die für 750 Euro (inkl. Versicherung) die letzten paar Wochen meine berufstätige Tante bei der häuslichen Pflege unterstützte. Wir trinken Kaffee, lachen hin und wieder, im Hintergrund das Aquarium, meine blubbernde Oma. Später verabschiede ich mich von ihr. Wir wissen beide, daß es für immer sein wird, trotzdem kann ich nur sagen, tschüss liebe, liebe Oma, bis bald.
Das war gestern. Heute Mittag erreichte mich der Anruf, daß sie gestorben ist.
Nun begrüße ich sie. Ihr Unterkiefer bewegt sich leicht, die Furchen zwischen den Augenbrauen verflachen, die Lider flattern kurz. Sie hat mich erkannt, ganz sicher. Ich fange an zu erzählen, von der Einschulung meines Sohnes und wie schlecht er seither schläft, wie er weinte und doch stolz ist, endlich ein Schulkind sein zu dürfen. Irgendwann ist mein Monolog beendet, mir fällt nichts mehr ein was ich ihr noch erzählen könnte. Wofür interessiert sich eine Sterbende? Dann betrachte ich noch lange ihr Gesicht und streichle dabei die Hand, die mich bald 39 Jahre berührte.
Dann setzen wir uns an den Tisch, meine Tante und ich, auch Carmen, die aus Rumänien geholte Pflegekraft, die für 750 Euro (inkl. Versicherung) die letzten paar Wochen meine berufstätige Tante bei der häuslichen Pflege unterstützte. Wir trinken Kaffee, lachen hin und wieder, im Hintergrund das Aquarium, meine blubbernde Oma. Später verabschiede ich mich von ihr. Wir wissen beide, daß es für immer sein wird, trotzdem kann ich nur sagen, tschüss liebe, liebe Oma, bis bald.
Das war gestern. Heute Mittag erreichte mich der Anruf, daß sie gestorben ist.
Frau Rossi - 10. Jun, 12:16