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Herz II

In Köckern-Ost also eine Bockwurst, so will es die Tradition. Das Ritual, vom Freund eingeführt, nie hinterfragt, kritiklos übernommen, so auch heute. Über den Avus rutscht man praktisch bis vor die Virchow-Kliniken. Das, was in meiner Vorstellung im Inneren dieser Anlagen stattfindet, steht im krassen Gegensatz zur Gediegenheit der Architektur. In der Phase der Rekonvaleszenz mit Buch oder Besuch unter den Bäumen auf einer dieser weißen Bänke sitzen, das stelle ich mir sehr schön vor. Und tatsächlich laufen wir an dem einen oder anderen Patienten vorbei, der genau das tut. Einige haben Ständer mit technischem Gerät neben sich stehen, oder zumindest einen Tropf. Endlich vor der Intensiv angekommen müssen wir klingeln. Noch völlig unerfahren lassen wir uns von anderen Besuchern einweisen. Hier die hellblauen, papiernen Hygienekittel, da Ablage für Garderobe. "Die Wertsachen nehmen Sie besser mit rein". Kann man sich Leute vorstellen, die unter diesen Umständen klauen?

Ein Pfleger schleust uns ein. Kurz wird nachgefragt wer wir seien, man hätte uns hier noch gar nicht gesehen. Freunde aus B.? Herr K. bekomme wirklich viel Besuch. "Das ist schön!" Vor der Glastür zum Zimmer bleibt er stehen. Er informiert uns über den Zustand unseres Freundes (sehr schlecht), dass er zwar sediert sei, dennoch partiell aufnahmefähig. Über seine Schulter hinweg erhasche ich einen ersten Blick auf ihn. Der Pfleger händigt uns noch Mundschutz und Hauben aus und zeigt wo wir uns die Hände desinfizieren können. Schon stehen wir im Zimmer, es war gar keine Zeit, sich groß aufzuregen oder Angst zu bekommen, da wir schon vor dem Bett stehen und schlagartig mit dem Anblick konfrontiert werden. Der Pfleger packt uns die Arme unseres Freundes aus und zeigt uns, wie wir das Wasser herausmassieren können ("als würden Sie melken"), das würde dem Freund sehr helfen, einfach von den Fingerspitzen abwärts streichen, nach einer Zeit würde das dann dünner. Ganz viel erzählt der Pfleger noch, während er schon wieder an einer der Tastaturen steht und den Computer neben dem Bett bedient, den Blick starr auf einen der Monitore gerichtet. Erzählen sollen wir, aber bitte keine Fragen stellen, der Patient könne eh nicht antworten. Und immer in Richtung Ohren sprechen, damit das auch ankomme. Durch die Sedierung seien auch die Sinne eingeschränkt, außerdem befinde sich Wasser im Ohr. Beiderseitiges Augenzwinkern signalisiere Verstehen. Sollte uns schlecht werden, dann bitte gleich rausgehen und hinsetzten. Einen Schluck Wasser trinken, durchatmen.

So stehen wir also da, rechts und links vom Bett, jede "melkt" eine dicke Hand und wissen nicht, wie anfangen mit dem Reden. Der Pfleger stört uns irgendwie dabei, außerdem drückt der Kloß im Hals und aus meiner Nase laufen Tränen. Noch kann ich nicht sprechen.

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